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Ein Leuchtturm in der Versorgungslandschaft

Die Behandlung chronischer Wunden ist komplex. Sie kann mehrere Monate oder sogar Jahre in Anspruch nehmen und erfordert häufige ärztliche und pflegerische Besuche. Seit langem äußern Patientinnen und Patienten sowie Fachleute Kritik an Mängeln in der medizinischen Wundversorgung.

Ein unterschätztes Problem

Bis zu vier Millionen Menschen in Deutschland leiden an chronischen Wunden. Ihr Alltag, aber auch der ihrer Angehörigen, wird dadurch erheblich eingeschränkt. Für die Betroffenen ist das mit einem deutlichen Verlust an Lebensqualität verbunden. Mit Blick auf die Zukunft ist aufgrund des demografischen Wandels mit einer Zunahme dieser Erkrankungen zu rechnen. Wir sprechen also von einem wachsenden Problem.

Chronische Wunden spielen nicht nur in spezialisierten Einrichtungen, sondern auch im haus- und fachärztlichen Alltag unterschiedlichster Disziplinen eine bedeutende Rolle. Einzelne Haus- oder Fachärztinnen und -ärzte können eine moderne, indikationsgerechte und leitlinienkonforme Wundversorgung jedoch kaum noch leisten. Denn diese ist zeitaufwendig und erfordert große Erfahrung. Zudem lässt sich die Vielzahl der angebotenen Verbandsmaterialien kaum mehr überblicken. Eine ungezielte Therapie von chronischen Wunden entspricht jedoch längst nicht mehr dem aktuellen Stand der Therapie.

„Die evidenzbasierte Wundversorgung mit Fokus auf eine gesicherte Diagnose der Wundursache, Therapie der Grunderkrankung und zielorientierter Lokaltherapie führt zu einer Verbesserung der Versorgung von Menschen mit chronischen und schwer heilenden Wunden und senkt gleichzeitig die Kosten.“

Dr. Claudia Druschel

Leiterin des Geschäftsbereichs Fachservice

Bessere Wundversorgung hat viele positive Facetten

Moderne, stadiengerechte Wundbehandlung bietet hingegen eine verbesserte Qualität und Effizienz. Sie ist zudem konsequenter an den Ursachen der Wunden ausgerichtet, statt sich lediglich an Symptomen zu orientieren. Das fördert die Heilung der Patientinnen und Patienten und damit deren Lebensqualität.

Genauso stellen wir uns als Medizinischer Dienst Berlin-Brandenburg eine gute medizinische Versorgung vor. Daher haben wir den Impuls einer regionalen Krankenkasse gerne aufgegriffen und in einem interdisziplinären Projekt die ärztliche Versorgung mit Verbandsstoffen für chronische Wunden sozialmedizinisch bewertet.

Aktuelle Versorgung oft mangelhaft

Vor der Prüfung haben wir uns fachlich intensiv vorbereitet. Dazu haben wir unsere Gutachterinnen und Gutachter gezielt zu den aktuellen Leitlinienvorgaben der Wundversorgung sowie zu Verbandsstoffen (Material und Anwendung, Indikation und Kontraindikation sowie Allergie- beziehungsweise Toxizitätspotential) geschult. Darüber hinaus haben unsere Fachkräfte die Wundversorgung in der Praxis begleitet. Anschließend hat das Projektteam eine ausführliche und spezifische Information für die begutachtenden Kolleginnen und Kollegen erarbeitet. Zusammen mit der impulsgebenden Krankenkasse haben wir zusätzlich die Kommunikation mit den versorgenden Ärztinnen und Ärzten standardisiert.

Auf dieser Grundlage haben wir schließlich 50 Versichertenfälle mit chronischen Wunden bewertet. Sie alle hatten gemein, dass auch nach mehr als einem Jahr keine Heilungstendenz vorlag. Gleichzeitig kosteten allein die Verbandsstoffe für diese 50 Patientinnen und Patienten in einem Quartal pro Kopf durchschnittlich 16.000 Euro. Auch dieser Faktor darf bei dem Thema nicht außer Acht gelassen werden.

Wir haben in unserem Projekt dann insbesondere geprüft, ob bei der Versorgung die Leitlinien eingehalten wurden, ob die Auswahl der Verbandsmittel nach anerkannten wissenschaftlichen Kriterien erfolgte und ob sie sich wirtschaftlich gestaltete. Unser Fazit: In allen begutachteten Fällen war die Versorgung fachlich nicht ausreichend gesichert und zugleich unwirtschaftlich.

„Mit den beteiligten Krankenkassen beobachten und evaluieren wir fortlaufend, ob unsere spezielle Begutachtung der Wundversorgung die Situation der Patientinnen und Patienten nachhaltig verbessert. Denn vor allem darauf kommt es uns bei unserem Leuchtturmprojekt an.“

Dr. Birgit Heukrodt

Leiterin des Geschäftsbereichs Medizin

Miteinander für bessere Wundversorgung

Zwar war die Auswahl der untersuchten 50 Fälle nicht ganz repräsentativ. Jedoch ist das Ergebnis unserer Analysen für die Krankenkasse und uns trotzdem ein klares Zeichen, die Versorgung in Gänze zu verbessern. Das geht am besten gemeinsam mit allen Verantwortlichen.

Daher bietet die Krankenkasse ihren ärztlichen Vertragspartnerinnen und -partnern nun gezielte Beratungen zur leitliniengerechten Wundversorgung an. Dieses Angebot wird von den Ärztinnen und Ärzten überwiegend positiv aufgenommen. Erste Schulungen fanden noch im Jahr 2024 statt.

Die spezialisierte Begutachtung der Wundversorgung ist jetzt auch Teil der Regelbegutachtung in unserem Geschäftsbereich Medizin. Das findet breiten Zuspruch. So wird der Medizinische Dienst Mecklenburg-Vorpommern dieses Instrument für seine Arbeit übernehmen und auch weitere Krankenkassen wollen das Angebot zukünftig nutzen.

Mit anerkannten ärztlichen CME (Continuing Medical Education)-Fortbildungen qualifizieren wir unsere Gutachterinnen und Gutachter sowie behandelnde Ärztinnen und Ärzte weiter zum jeweils aktuellen wissenschaftlichen Stand. Mit den beteiligten Krankenkassen beobachten und evaluieren wir fortlaufend, ob unsere spezielle Begutachtung der Wundversorgung die Situation der Patientinnen und Patienten nachhaltig verbessert. Denn vor allem darauf kommt es uns bei unserem Leuchtturmprojekt an.